Norman Glatzer und Vanessa Braun – Mittendrin im Draußen

 

 

Norman Glatzer und Vanessa Braun – Mittendrin im Draußen
Pilze, Pflanzen und Tiere direkt vor der Haustür
Allegria / Ullstein 2022
16,90 € (D)

NaturfreundInnen, Selbstversorgende, Sammler*innen und Waldläufer kennen und lieben natürlich schon lange den fantastischen „Buschfunkistan“ YouTube-Kanal, und so war die Spannung groß, als kurz vor dem 3. Geburtstag des Kanals das erste Buch des dynamischen Duos erschien.
Wird es ein Fach-, ein Sach-, ein Lach- oder ein Mach-Buch?
Na alles das, natürlich!
Mit ihrer eigenen und typischen, warmherzigen und detailverliebten Erzählweise, gespickt mit Humor, der auch mal sehr schwarz sein kann, berichten Vanessa und Norman in drei großen Kapiteln („Auf in die Natur“, „Wunderliche Lebensformen im Busch und Spiegel“, „Verschmelzung mit dem Draußen“) und in vielen einzelnen Abschnitten von glaubhaften und unglaublichen Angelegenheiten aus der heimischen Naturwelt, gewürzt mit Anekdoten und sachdienlichen Hinweisen.
Und etwas geschah mit mir beim Lesen dieser sehr zugänglich verfassten 250 Seiten:
Es ist gut sieben Jahre her, dass ich aus dem unbeschreiblich lautstarken Gewusel Kern-Berlins auf‘s Land zog, in eine Siedlung mit nicht mehr als ein paar Häusern, einem Solarfeld, einem geschlossenen Friseurladen sowie mehreren Hunden und Katzen.
Wie groß war damals meine hingebungsvolle Liebe zu Mutter Natur! Jede freie Minute nutzte ich, um auf Knien über eine Wiese zu rutschen, essbare Hälmchen zu knabbern, Weidenrinde zu trocknen, Äpfel zu vergären.
Zu keiner Minute bereute ich den Umzug, und ich liebe die Natur wie am ersten Tag.
Und doch, es hat sich was verändert.
War unsere Beziehung (Natur + ich) früher so ein „Oh Schatz, ich liege dir zu Füßen und bete deine Herrlichkeit an!“ schlich sich mittlerweile doch so ein gewisses „Morjen, watt jibt‘s n heute zu essen?“ ein.
„Mittendrin im Draußen“ hat mir wieder Augen, Ohren, Herz und überhaupt alle Sinne geöffnet, es ist wieder wie früher.
Das ist mal ein Buch!

(merula)

Abo Alsleben – MAYHEM LIVE IN LEIPZIG. Wie ich den Black Metal nach Ostdeutschland brachte.

 

 

Abo Alsleben – MAYHEM LIVE IN LEIPZIG. Wie ich den Black Metal nach Ostdeutschland brachte.
bookra Verlag 2020

Das sympathische Szene-Urgestein Abo Alsleben, den meisten hier sicher auch noch von seinem coolen “Cadaver, Corpse & Bowels” Zine her bekannt, holte im Jahre 1990 Mayhem nach Ostdeutschland und beschreibt in diesem wunderbaren Buch ein Stück Leben aus der damaligen Zeit, wie es viele DDR-Metaller sicher noch gut kennen.
Die ersten Kontakte mit Euronymous, dann die Konzerte in der gerade erst untergegangenen DDR, schließlich das Desaster.
Während des Lesens war ich für eine kurze Zeit selbst wieder in jener Zeit an jenem Ort, eine höchst liebevolle, amüsante, politische, metallische, nachdenkliche, interessante Zeitreise.
Die spannenden Berichte, Abenteuer und Episoden sind gespickt mit anbetungswürdigen Fotos und Briefkopien.
Kostet 20 Glocken und ist jeden Heller wert!

(merula)

Jiri Brabenec / Zdenek Vesely – Gestrandet bei der Sonne Epsilon

 

Jiri Brabenec / Zdenek Vesely – Gestrandet bei der Sonne Epsilon
Utopischer Roman, 1961

Ich lese recht viele Bücher, aber um mir mal eine persönliche Spezialität zu schaffen, entdeckte ich vor einiger Zeit das Revier „Osteuropäische (inkl. DDR) Science Fiction Literatur bis 1990“, ein interessantes und ergiebiges Fachgebiet.
Zu den erlesensten Veröffentlichungen dieses Subgenres gehört zweifellos „Gestrandet bei der Sonne Epsilon“, ein tschechoslowakisches Buch aus dem Jahre 1961.

Eigentlich soll die Raumfahrergruppe auf einem noch namenlosen Planeten jener Sonne, elf Lichtjahre von der Erde entfernt, nach den Spuren einer verschollenen Expedition suchen – gerät dann jedoch selbst in Not und havariert schwer.
Die einzige Möglichkeit zum Überleben besteht darin, sich in einem kleinen Raumgleiter vom zum Untergang verurteilten Mutterschiff zu lösen und auf dem Planeten zu landen.
Aufgrund der begrenzten Tragkraft kann nur das Allernötigste mitgenommen werden, und als auch noch dieses Gefährt havariert, und die Rettungsschirme eingesetzt werden müssen, besitzt jede(r) nur noch das, was er / sie am Leibe trägt.
Zudem wird die Gemeinschaft auch noch getrennt in eine größere Gruppe von ca. 20 Personen und eine kleine von nur drei, die weit hinter der nächsten Bergkette landen.
Ob sie überhaupt überleben, weiß man nicht.
Der größere Teil, das erfährt man gleich, notlandet halbwegs wohlbehalten auf der Planetenoberfläche und sieht sich, da dieser Himmelskörper recht erdähnliche Bedingungen aufweist, auch mit einer der Erd-Urzeit (Tertiär / Quartär) ähnlichen Fauna und Flora konfrontiert.
Zwei Seiten hat dieses Paradies, nämliche eine überquellende, unangetastete und nahrungsspendene Natur, aber auch mächtige und gefährliche Tiere.
Die so sehr erdähnliche Biologie mag vielleicht ein klein wenig übertrieben wirken, fällt aber nicht ins Gewicht, und an sich finde ich das Konzept der konvergenten Evolution absolut schlüssig.
Ganz besonders interessant wird dann die Evolution der Technologie der Siedler, die glücklicherweise allesamt eine überdurchschnittliche Bildung genossen.
So wird der Weg vom spitzen Stock zum Schmiedewerk mitreißend und nachvollziehbar realistisch beschrieben, wobei eine Prise trockener Humor nicht zu kurz kommt.
Ganz anders geht es den restlichen Raumfahrern – eine Frau, zwei Männer – die weit entfernt auf der Rückseite der Bergkette landen.
Lediglich zu dritt, ohne alles und dem Ende nahe, sehen sie sich mit einem herannahenden Winter in den Bergen konfrontiert, den sie augenscheinlich erst einmal ohne Feuer in einer Höhle verbringen müssen.
Wie wird das alles wohl enden?
Das zu erfahren, wird nicht ganz billig, denn das Buch ist rar und kostet üblicherweise zwischen 30 € für eine etwas lädierte oder leicht verschmutzte Ausgabe und knapp 100 € für eine erstklassige.
Die lädierte tut es natürlich auch und ist absout jeden Cent wert.
Eine interessante Besonderheit: Jeder den ich kenne, der dieses Buch schon las und es (im Gegenteil zu mir) schon seit der Kindheit sein Eigen nennt, liest es immer und immer wieder einmal, oft sogar regelmäßig alle paar Jahre.
Durchaus nachvollziehbar.
Mein Dank gilt Frank für diese Empfehlung!

(merula)