BOARHAMMER: Von DIY, düsterem Tann und Hierarchien

Gute Musik kann selbstverständlich auf jedem Medium veröffentlicht werden, doch wenn eine Band ihr Demo als Tape herausbringt, bin ich gleich doppelt begeistert. Über Boarhammer, die auf eben jene Art jüngst ihr Debüt veröffentlichten, kann es kaum zwei Meinungen geben: sie sind einfach sehr, sehr gut, und so freue ich mich, dass The Vessel (Vocals, Drums, Bass) und Wodwoz (Guitars, Vocals) sich auf ein Gespräch einließen!

Ich bin unglaublich alt und habe mich schon aus diesem Grunde sofort in „I: Cutting Wood For Magickal Purposes“ verliebt. Es klingt bei aller Eigenständigkeit genau wie Anfang / Mitte der 1990er. Ist es anmaßend, euch eine gewisse Liebe zum alten Black Metal Osteuropas zu unterstellen?

The Vessel: Nein, das ist kein bisschen anmaßend. Besonders Master’s Hammer ist eine Band, die wir sehr schätzen. Die Kombination aus Kauzigkeit, traditionellem Heavy Metal, Raserei und beinahe schon opernhaftem Bombast ist etwas, das mich schon ziemlich beeindruckt hat, als ich es irgendwann in den 90ern erstmals zu hören bekam. Durch die Herkunft meiner Großmutter habe ich auch einen persönlichen Bezug nach Osteuropa: Sie kam aus der Region der Hohen Tatra und brachte mich bereits in früher Kindheit in Kontakt mit zahlreichen Mythen, Sagen, Geschichten von okkulten Praktiken und merkwürdigen Ereignissen etc. Vielleicht hat das mein Interesse an diesen Themen geprägt.

Wodwoz: Merula, erstmal herzlichen Dank für das Liebesbekenntnis – wir fühlen uns sehr geehrt! Klar, da gibt es schon einige Bands, die wir auch während der Entstehungsphase des Demos regelmäßig gehört haben. Definitiv Master’s Hammer. Tormentor sind auch großartig, klingen aber auch schon wieder ganz anders. Gut möglich also, dass sich der ein oder andere Einfluss eingeschlichen hat. Generell versuchen wir aber, eine eigene musikalische Sprache zu finden und nicht der tausendste Klon von irgendwas zu sein. Möglicherweise ist es genau diese Herangehensweise, die uns in die Nähe der von dir genannten Bands rückt.

Ich vernehme viele Einflüsse von okkultem und schwarzgefärbten Heavy Metal. Auch aufwühlende Twin Guitars, z.B. in „Spirits on Black Wings“. Mein erster Gedanke, das klingt aber sehr nach alten Messiah, relativierte sich später und bezog sich wohl eher auf den genialen Gesang.
Trotzdem, „Hymn to Abramelin“ und „Extreme Cold Weather“ sind unsterblich und sollten monatlich gehört werden, oder?

The Vessel: Um ehrlich zu sein, sind Messiah bisher keine Band von großer Relevanz für uns gewesen; tatsächlich habe ich die Band durch Deine Anspielung auf sie das erste Mal bewusst wahrgenommen. Das mag eine Bildungslücke darstellen, entspricht aber der Wahrheit. Ich finde allerdings gerade auf der „Hymn to Abramelin“ den Gesang ziemlich super.

Wodwoz: Da muss ich leider auch passen.. Messiah sind an mir bisher ebenfalls vorbeigegangen. Aber danke für den Anspieltipp, geiler Scheiß! Ich mag ja generell sehr gerne Bands, die in diesem kleinen Zeitfenster irgendwo Mitte der Achtziger über Genregrenzen hinweg extremen Metal fabriziert haben.

2020 habt ihr euch gegründet, 2021 ein starkes Tape veröffentlicht. Was kommt 2022?

The Vessel: Wir arbeiten weiterhin an neuen Songs und hoffen, diese im Laufe des Jahres aufzunehmen. Vor einigen Wochen haben wir Kontakt mit dem kleinen, aber feinen Label Naturmacht Productions aufgenommen; Robert war recht angetan von unserem Demo-Tape und wird wohl unsere nächsten Aufnahmen veröffentlichen. Wann das passieren wird, ist aber noch nicht spruchreif. Wir hoffen, dass wir in 2023 unser erstes Album veröffentlichen können.

Wodwoz: Wir haben auf jeden Fall Blut geleckt! Als wir vor anderthalb Jahren mit der Band angefangen haben, war der Anspruch tatsächlich nur, endlich mal wieder im Proberaum Krach zu machen und dabei im besten Fall ein paar Songs zu produzieren, die uns selbst Spaß machen. Obwohl wir beide schon ewig befreundet sind, hat es sich vorher nie ergeben, dass wir zusammen Musik gemacht haben. Dass die Chemie dann letztlich so gut gepasst hat, hat uns ehrlich gesagt selbst ein bisschen überrascht. Mittlerweile ist das Demo ein halbes Jahr alt und seitdem war es ein wilder Ritt: Wir haben massenweise positive Reviews und Rückmeldungen bekommen, unsere Tapes restlos ausverkauft und mit Naturmacht sogar ein Label gefunden, das bereit ist, unser nächstes Werk zu veröffentlichen.

Ein gutes und freundliches Label ist ein Gewinn. Was aber, wenn ihr ein Angebot von ganz weit oben erhalten würdet, sagen wir mal, so Richtung Napalm oder Nuclear Blast?

The Vessel: Ich glaube nicht, dass so ein großes Label für uns in Frage käme. Wir sind überzeugte Verfechter des DIY-Ethos und sind nicht bereit, uns von außen in unsere Ideen und Überzeugungen hineinreden zu lassen. Ich kann mir kaum vorstellen, dass eine große Plattenfirma einer Nischenband wie uns volle künstlerische Freiheit lassen würde; die möchten wir aber haben. Bei einem Label wie Naturmacht haben wir das Gefühl, dass Leute wie Robert die Sache aus den richtigen Gründen heraus tun und auch ihnen die Eigenständigkeit der Künstler*innen ein Anliegen ist, das eher gefördert als eingeschränkt werden sollte. Wenn es mehr um Verkaufszahlen als um die Musik geht, wird die Sache schwierig und für uns auch uninteressant. Wir lieben, was wir tun, sind aber zum Glück nicht darauf angewiesen, damit Geld zu verdienen.

Wodwoz: Dass Major Labels bei uns anklopfen, ist ein nettes Gedankenspiel, aber mehr auch nicht. Es gibt für unsere Musik ein kleine aber feine Zielgruppe von Freaks, aus der heraus innerhalb des letzten halben Jahres seit Veröffentlichung unseres Demos unglaublich viel positive Rückmeldung gekommen ist. Und genau das ist für uns der einzige Grund, warum wir das machen. Klar wollen wir perspektivisch noch mehr Leute erreichen, das aber definitiv weiterhin im Underground und mit voller kreativer Kontrolle!

Als ich mal in dieses Internet schaute, staunte ich nicht schlecht, dass es wirklich eine Waffe namens Boarhammer gibt. War euch das bei der Namensfindung bewusst, oder stand der Bohrhammer Pate, oder verlief die Namensgebung einfach auf spiritueller Ebene?
Aber davon abgesehen, was ist euer liebstes Handwerkzeug? (Meines ist die Wasserpumpenzange, auch Rohrzange genannt. Man kann damit packen, drehen, schrauben, brechen, hämmern und sogar werfen.)

The Vessel: Meinst du dieses Fantasy-Tabletop- oder Computerspiel-Dingen, oder diese Schlinge zum Jagen? (Das Schlingending, das scheinbar irgendwie den Druck der Waffe abdämpft. – m.) Diese Gerätschaften haben wir tatsächlich mittlerweile auch entdeckt. Bei der Namensfindung war uns beides nicht bewusst, aber zumindest die Fantasy-Waffe passt ja irgendwie…
Tatsächlich haben wir bei der Namensfindung überlegt, wie wir einerseits ein Symbol für unseren thematisch-philosophischen Hintergrund finden und andererseits den Vertretern der Ursuppe des Black Metal, welche uns beeinflusst haben, weil wir mit ihrer Musik aufgewachsen sind, eine mehr oder weniger offensichtliche Referenz erweisen können. „Boar“ verkörpert für uns symbolisch ganz gut unsere Wald- und Mythenbezogenheit; Hellhammer sind halt super, so fügt sich eins ins andere.

Wodwoz: Dass wir beim deutschsprachigen Publikum häufig direkt diese Baumarktassoziationen wecken, war nicht beabsichtigt, lässt sich jetzt aber wohl nicht mehr ändern, haha. Unser Sound wurde mittlerweile schon mehrfach mit einer Rotte Wildschweinen verglichen, die durchs Unterholz wütet und eine Spur der Verwüstung hinterlässt – das finde ich schon passender.
Wenn man dieses Boarhammer-Jagdzubehördingens googelt, findet man massenweise Photos und Videos von so Arschlochjägern, die Wildschweine und alles, was ihnen noch so vor die Flinte läuft, aus purem Spaß an der Freude abknallen, um dann mit den Trophäen posieren. Mögen sie alle von den gerechten Hauern des mächtigen Boarhammer qualvoll zerfleischt werden!

Seid ihr mehr auf das neue King Diamond, oder das neue Mercyful Fate Album gespannt? Und falls nichts von beiden, möchtet ihr wenigstens ein bisschen über eure Beziehung oder Einstellung zum King plaudern?

The Vessel: Ich bin definitiv mehr auf das neue Mercyful Fate Album gespannt. Die ersten beiden Alben, „Melissa“ und „Don’t break the Oath“, sind für mich wirklich starke Klassiker. Diese Mischung aus erstklassiger Gitarrenarbeit und dem einzigartigen Gesang des King ist unerreicht.

Wodwoz: Gespannt bin ich durchaus auf beide Alben, allerdings mache ich mir keine Illusionen, dass die neuen Scheiben auch nur ansatzweise an die Klassiker heranreichen können. Klar hat das dann schon immer Eventcharakter, wenn legendäre Bands ein neues Album rausbringen, und ich genieße es dann auch immer, mich in Ruhe damit hinzusetzen. Ehrlich gesagt hat das dann aber eher den Effekt, dass ich relativ schnell doch eher wieder eine alte Platte der entsprechenden Band auflege. Ich bin auch auf jeden Fall gespannter auf die neue Mercyful Fate! Ich bin da gar nicht der Megafan und von den späteren MF- und Kind Diamond-Album kenne ich auch längst nicht alle. Mir reichen im Prinzip wirklich „Melissa und „Don’t break the Oath“. Beide Alben atmen einen Spirit, den der King mit seinen späteren Besetzungen so nicht wieder reproduzieren konnte.

 

Stellt euch vor, ihr werdet vor die Wahl gestellt: Ihr könnt entweder jede musikalische Veröffentlichung vor dem Jahre 2000 hören, und nicht nur hören, ihr dürft die originalen Tonträger in eure Sammlung stellen. Aber nichts mehr ab dem 1.1.2000, auch keine Neuerscheinung, diese Welt bleibt euch für immer verschlossen.
Oder ihr dürft alles ab 2000 bis zum Ende eurer irdischen Tage hören und sammeln, wirklich alles. Und kostenlos. Aber die Musik vor 2000 ist für immer weg.
Wie würdet ihr euch entscheiden?

Wodwoz: Ich verfolge sehr intensiv, was Woche für Woche an neuen Veröffentlichungen kommt, und bin immer auf der Suche nach musikalischen Neuentdeckungen. Das würde mir schon sehr fehlen, aber ich entscheide mich trotzdem für Variante A. Ich stelle zunehmend fest, dass ich zu Alben, die ich in den frühen Neunzigern entdeckt habe, eine derart starke nostalgische Verbindung habe, an die nur sehr wenige Veröffentlichungen nach 2000 rankommen. Außerdem gibt es quer durch die Musikgeschichte immer noch so viel zu entdecken, das schafft man in einem Leben gar nicht alles durchzuhören. Langweilig würde es also nicht mit ausschließlich alter Musik.

The Vessel: Auf jeden Fall die Musik von vor 2000. Die Menge an innovativen Bands, wie es sie zwischen sagen wir mal grob 1970 und 2000 im Rock- und Metal-Bereich gab, darf nicht verloren gehen. Selbstverständlich gab es auch seit 2000 und gibt es auch heute tolle Bands, die Grenzen sprengen und in der Lage sind, der Metal-Musik neue Facetten hinzuzufügen. Aber wenn alles vor 2000 weg wäre, wäre dies für mich wohl der dramatischere Verlust.

Ich vermute bei euch eine tiefe Naturverbundenheit. Bezieht sich diese eher nur auf Rituale im düstren Tann, oder geht ihr zum Beispiel auch angeln, jagen, Pilze suchen oder Kräuter sammeln?

The Vessel: Im düsteren Tann unterwegs zu sein gehört zur Boarhammer-Routine auf jeden Fall dazu; der Wald ist quasi das natürliche Habitat des Boarhammers. Hier haben wir beschlossen, die Band zu gründen, und hier entstanden und entstehen viele wichtige Ideen rund um unsere Musik und unser Konzept. Meine Beziehung zur Natur ist allerdings deutlich vielfältiger und beschränkt sich nicht auf die Band. Die Natur ist mir sowohl in der konkreten Erfahrung (z.B. durch das Wandern, das Betrachten und Fühlen von Landschaft und Wetter, aber durchaus auch durch das Sammeln von Kräutern oder Materialien) als auch in philosophischer Hinsicht (z.B. bzgl. der symbolischen Ebene der Bedeutung des Waldes, der Berge, des Meeres etc. in verschiedenen Mythologien) wichtig.

Wodwoz: Das Sammeln von Pilzen sowie Wild- und Heilkräutern hat für mich in den letzten Jahren einen immer größeren Stellenwert gewonnen. Ich finde es faszinierend, welche Vielfalt es gibt, und gleichzeitig erschreckend, wie weit wir uns mit unserer modernen Lebensweise vom Wissen und von den Praktiken unserer Vorfahren entfernt haben. Für Jagen und Angeln in seiner archaischen Form habe ich großen Respekt. Beides spielt für uns allerdings keine Rolle, der Boarhammer koexistiert friedlich mit allen Kreaturen der Wälder und Gewässer!

Ich mag die Stellungnahme im Booklet. („Being an agent of chaos, BOARHAMMER deeply despises all kinds of concepts that aim at establishing an order of hierarchy of any kind, including ideas like racism, misogynism, sexism, fascism or any other -ism in the same vain. If you approve of concepts like that, BOARHAMMER is not for you.“)
Bedeutet „agent of chaos“ Sympathie zur Anarchie, oder ist das viel, viel tiefer als jede politische Anschauung angesiedelt? Oder beides?

The Vessel: Tatsächlich beides. Im Zusammenhang mit Black Metal finde ich den Bezug zum Weltbild der Kirche in England zu Zeiten Shakespeares beispielsweise sehr interessant. Im elisabethanischen Weltbild herrscht eine strenge, gottgegebene Hierarchie, an deren Spitze Gott selbst steht und die dem Menschen eine dem Rest der Natur klar überlegene Rolle zuweist. Innerhalb der menschlichen Gesellschaft existiert auch wieder eine strenge Hierarchie. Diese Umstände gelten als von Gott so gewollt; jegliche Auflehnung verkörpert die Macht des Chaos (deren Personifikation der Teufel ist) und muss im Sinne des Bewahrens bzw. der Wiederherstellung der Ordnung zerschlagen werden.
Betrachtet man Black Metal nun als eine Art nihilistisches Prinzip, welches geltende Werte und Normen hinterfragt und verneint, also als eine Wirkungsweise des Chaos, lässt er sich nicht als ein politisches Instrument – wie im NSBM – rechtfertigen, da er als solches eher die Funktion hätte, Hierarchien zu bewahren oder voranzutreiben, also Ordnungen zu gestalten. Dies erscheint mir widersprüchlich.

Bedeutet „I“, dass dieses köstliche Demotape den ersten Teil eines Zyklus darstellt?

The Vessel: Genau. Es wird definitiv mehr kommen. Wir sind bereits dabei, unser Konzept weiterzuverfolgen, und arbeiten fleißig an neuem Material.

Wodwoz: Ja, nach all den positiven Reaktionen auf unser Demo ist die Motivation riesig, die nächste Veröffentlichung an den Start zu bringen!

Danke, großer BOARHAMMER, und viel Glück für eure Zukunft!

DIE APOKALYPTISCHEN REITER – zum 24. Jubiläum von “Dschinghis Khan”

Die Apokalyptischen Reiter

Kaum jemandem dürfte entgangen sein, dass sich dieser Tage die Veröffentlichung der bahnbrechenden Reiter 7“ „Dschinghis Khan“ zum 24. Male jährt.
Anlass genug, das mit einem würdevollen Interview zu feiern.

Volk-Man, ich grüße dich.
Wie kamt ihr auf die Idee, zwischen dem enorm erfolgreichen Debutalbum und dem sehnsüchtig erwarteten Zweitwerk eine flotte Viertracker zu veröffentlichen?

Der Ausgangspunkt war die Coverversion von “Dschinghis Khan”, die wir irgendwann im Proberaum einstudiert hatten und auch bei Live-Shows sehr gut ankam.
Er hatte ja eine gewisse “Pferdethematik”, also Mongolen, Reiter, Dschinghis Khan, Welteroberung etc. — alles Dinge, die uns irgendwie interessierten. Der Song hat auch ohne unsere Coverversion eine gewisse Metal-Attitüde. Also gesagt getan, der Song musste jedenfalls aufgenommen werden und da sich der Aufwand für ein Stück nicht lohnte, zockten wir direkt noch drei weitere Stücke mit ein.

Andreas Hilbert, der diese EP produzierte, wohnt ja ein Stück von euch entfernt; seid ihr extra nach Berlin gedüst, um das Teil aufzunehmen, oder wart ihr gerade in der Gegend?

“Gedüst” ist der falsche Ausdruck, die Fahrt dauerte fast 8 Stunden, da der VW Bandbus ein Problem mit der Kühlung hatte. Irgendwie war Luft ins Kühlsystem gekommen und der Motor drohte dauernd zu überhitzen. Daher war die Fahrt gen Berlin von 4 längeren Pausen begleitet, wo wir einfach warten mussten, bis der Motor wieder ausgekühlt war, dann ging es 30-50 km im Schneckentempo weiter.
Dr. Pest war der einzige, den die Sache richtig angekotzt hat – erstens war es sein Bus und zweitens musste er als Fahrer nüchtern bleiben. Fuchs, Skelleton und ich hatten direkt erkannt, dass wir bei einer Rast an der Tankstelle besser ordentlich Martini einpacken, mehrere Flaschen gingen auf dem Weg nach Berlin drauf und ehrlich gesagt weiß ich nicht, wie die Anreise endete.
Irgendwann in der Nacht wachte ich in der Bude von Andreas Hilbert auf (vielmehr weckte mich seine fette Katze) und Andreas schwadronierte (auch angetrunken) abwechselnd über die Genialität von Carcass, Oxiplegatz und Rhapsody.
Der nächste Tag war erwartungsgemäß die Hölle. Völlig verkatert im Studio ist generell keine gute Idee. Skell war noch so fertig, dass er quasi nicht in der Lage war, halbwegs den Takt zu halten – was Andreas schon fertig machte. Dr. Pest und ich versuchten während seiner Drumaufnahmen den Bus zu reparieren, dazu musste man halt eine Steigung finden, damit die Luftblase im Kühlsystem in Richtung der Steigung wanderte, dort aus der Luftablassschraube entweichen konnte, während man hinten Wasser in den Kühl nachgoß. Der VW Boxer Motor im Heck des Busses war extrem schwer zugänglich und die ganze Aktion zog sich über Stunden hin. Danach haben wir noch aus Spaß einen Liegestütz-Wettbewerb gemacht, bis uns die Arme und Schultern brannten und weh taten. Eine ganz dumme Idee, wenn man kurz danach Gitarre und Bass einspielen muss und an jedem Arm gefühlt 16 Tonnen hängen.

Ich hau mich weg, danke für die Story!
Das Artwork ist Killer, auch die Rückseite. Wer war dafür verantwortlich?

Das ist alles geklaut aus einem Marvel-Comic. Das war damals ohne Internet ja alles noch nicht so dramatisch, denn wer in den USA sollte mitbekommen, wenn eine kleine Ostdeutsche Underground Band ein bisschen am Grafiker sparen will und man sich aus dem schönen Fundus von Marvel bedient.
Naja, das hatte ja in gewisser Weise auch Tradition, dass man sich bei den Artwork früher nicht so sehr um die Copyright gekümmert hat, “Firestorm”, “Soft & Stronger” und auch “Allegro Barbaro” war ja auch ähnlich “charmant ausgeborgt”. Aber im Sinne der guten Sache der Reiter hat das am Ende auch niemand je eingeklagt.

Kannst du dich noch entsinnen, wie die drei Eigenkompositionen entstanden sind? Formten sich eure Lieder damals eher beim Jammen, oder kam einer mit weitgehend fertigen Songs und Texten an?

“Dance with me” war bereits fürs kommende Album “Allegro Barbaro” komponiert, bei “Human End Part II” handelte es sich um ein Stück, was auch auf “Soft & Stronger” hätte stehen können, aber letztlich dann doch nicht auf dem Album landete. “The Price Of Ignorance” war ein Experiment, da wir hier mit einem tieferen Tuning der Gitarren spielten als üblich. Normalerweise hatten wir von E auf D heruntergestimmt, für diesen Song stimmten wir von E auf A herunter. Das passte ganz gut zu diesem Stück, aber war letztlich etwas “too much”. Auf “Allegro Barbaro” war dann wieder alles auf “D” gestimmt…. ab “All You Need Is Love” fanden wir dann einen guten Mittelweg – wir stimmten auf “C” herunter und seitdem ist das auch unser Standardtuning für alle Alben danach gewesen.

Danke für diese Einblicke!
Für das Legacy (oder Deftone?) gab es mal so eine Art Crossfire mit Track-Raten im Auto eines legendären Labelmenschen. Dave Ingram und Peter Tägtgren waren sehr angetan von eurer Musik.
War dir zu diesem Zeitpunkt eigentlich schon bewusst, dass ihr komplett durchstarten werdet?

Oh, das höre ich zum ersten Mal. Aber gut zu wissen. Durchstarten ist immer etwas, was man erst in der Rückschau so sehen kann, wenn man will.
Im Moment fühlte es sich eher immer nach kleinen Schritten an – aber sie gingen eben immer beharrlich in eine Richtung. So einen Moment einer gewaltigen Explosion, wo plötzlich statt 100 dann 1000 Leute zu den Shows kamen, so etwas gab es ehrlich gesagt nie.
Es ging eher immer langsam Step by Step voran erst 200, dann 250, dann 300 usw. – Ich denke, die wichtigste Entscheidung war, dass man der Band in seinem Leben halt den Platz eingeräumt hat, den sie brauchte.
Wir wussten, dass man über das Stadium der “Amateurband” hinauskommen muss, wenn man wirklich weiter ernsthaft die Karriere vorantreiben soll.
Ich denke, mit dem Signing zu Nuclear Blast 2003 und der Planungssicherheit, dass man für die nächsten Jahre immer ein gutes Budget für Studioaufnahmen haben wird, begann die Zeit, als wir alle unsere Jobs aufgaben und nur noch Musik gemacht haben. Wir spielten einfach jede Tour und jede Show, die möglich war und aus der Rückschau würde ich auch sagen, dass wir bis zum Release von “Riders On The Storm” die Band auf ein wirtschaftlich tragfähiges Level gebracht hatten, die es fünf Leuten erlaubt, ein Dasein als Berufsmusiker zu leben. Deswegen musste man trotzdem Wasser statt Schampus zum Kaffeekochen nehmen, aber ich kann mich sehr gut an dieses Gefühl erinnern, dass man selbst für sich sorgte, keinen Chef hatte und ein Gefühl der persönlichen Freiheit hatte, das ich so vorher nie gekannt habe.

Stelle ich mir wirklich großartig vor, lebenslange herzliche Glückwünsche dazu.
Ist dies eigentlich die einzige Ars Metalli Veröffentlichung, auf der eine Jahreszahl steht und diese dann wirklich auch noch der Realität entsprach?

Das weiß ich ehrlich gesagt nicht, haha. Aber es ist schön, dass die EP tatsächlich wie geplant zwischen “Soft & Stronger” und “Allegro Barbaro” erschien, denn es sollte ja eine Art Zwischenspiel sein.

Es gab eine Ausgabe in rotem Vinyl und dann noch eine schwarze. Geplant war das aber nicht, oder?

Die rote Ausgabe war so schnell ausverkauft, dass wir nochmal nachlegen mussten. Wir hätten damit natürlich nie gerechnet.

Kennt Ralph Siegel diese Version seines Welthits?

Ich denke nicht.

Spielt ihr heute noch Songs von der Scheibe? Und habt ihr schon mal in der Mongolei gespielt?

“Dschinghis Khan” haben wir 2010 zum letzten Mal live gespielt. Die Sache lief dann etwas aus dem Ruder, denn wie es schien, kamen einige Fans dann wohl nur zu den Shows, um vom ersten bis zum letzten Song immer wieder “Dschinghis Khan, Dschinghis Khan” zu skandieren – das nervte irgendwann so sehr, so dass wir die Reißleine zogen.
Statt dessen spielen wir dann “Ghostriders In The Sky” von Johnny Cash (genaugenommen stammt der Song gar nicht von ihm, aber seine Version gilt vielen wohl als Original).
Der Song hatte auch eine gewisse Pferderomantik. Er ist deutlich erfolgreicher gewesen, als D.K. – selbst heute noch ist diese Coverversion von uns immer in den Top5 der meistgespielten Reiter Songs auf Spotify etc. – und das seit Jahren.

In die Mongolei haben wir es leider nie geschafft, geträumt davon schon sehr oft. Da sich wohl Russland Touren für die nächste Zeit erledigt haben, glaube ich ehrlich gesagt auch nicht daran, dass ich in naher Zukunft meine lang geplante Reise nach Peking mit der Transsib machen werde. Ein Stop in der Mongolei war fest eingeplant und ich hätte sicherlich auch eine “Dschinghis Khan” EP mitgenommen und in der heiligen mongolischen Steppe vergraben. (Einfach nur genial – m.) Aber irgendwie werde ich das sicherlich eines Tages noch hinbekommen.

Du hörst dir die Mucke von ganz früher gerne mal an, oder? Ich finde sie unglaublich charmant.

Einmal pro Jahr vielleicht. Meist im Zuge, wenn man Interviews macht, wo es sich um die Vergangenheit dreht. Oder wo ich die Bandbio – 20 Jahre D.A.R. geschrieben habe. Da dient die alte Musik wohl auch als Katalysator fürs eigene Gehirn, denn die alte Musik schafft es, dass man sich an Dinge erinnert, die gefühlt ewig lange her sind. Die ruppige, chaotische und aus heutiger Sicht mitunter etwas merkwürdige Art der Komposition fällt mir immer wieder auf.
Aber Skell hatte auch immer die Devise, dass es keine Parts geben sollte, in denen man länger als 30 Sekunden moderate Passagen hat, eh man wieder knüppelt und Blastbeats spielt. Insofern war unser Songwriting damals auch immer etwas im “Knüppelkorsett”. Aber ja, das ist absolut authentisch und sehr charmant.

Speziell „Soft & Stronger“ ist für mich auch ein lebensbegleitender Soundtrack für Neuanfänge.
Ab dem ersten Takt strahlt das Album unbändigen Optimismus und Lebesfreude aus.
Und damit endet das Interview, und ich sage
DANKE!

Natur und Bücher – Interview mit FORNHEM

Auf dem reizenden Label Trollmusic erscheinen sowieso nur gute bis ausgezeichnete Alben, ganz besonders haben es mir aber gegenwärtig die Schweden von FORNHEM mit ihrem neuen Album ”Stämman Från Berget” angetan.
Höchste Zeit für ein Gespräch mit der Band, wobei sich mein Gesprächspartner gleich selbst vorstellen wird.

Laut Metal Archives habt ihr vor dem ersten Album kein Demo veröffentlicht. Wie zur Hölle seid ihr dann zu dem Plattenvertrag mit Thor gekommen, wie habt ihr euch beworben?

Hallo, hier ist Solbane (diverse Instrumente), der die meiste Zeit in diesem Interview mit euch spricht. Vafthrudner (Lyrics & Schlagwerk) hat auch etwas mitzuteilen.
Nun, die Geschichte, wie wir einen Vertrag mit Trollmusic bekommen haben, ist eigentlich ganz einfach. Vafthrudner und ich haben uns entschieden, dass wir kein Demo machen und von einem Label kontrolliert werden wollen, das uns vorschreibt, was wir zu tun oder zu lassen haben und dass wir so und so viel Geld für die Aufnahme bekommen und so weiter. Im Grunde genommen haben wir gesagt, lasst uns dieses Album mit unserem eigenen Geld aufnehmen, von dem wir wissen, dass es so gut sein wird, dass wir es auf eigene Faust veröffentlichen können, wenn es keinem Label gefällt.
Wir haben nie daran gedacht, viele Alben zu verkaufen und eine “große” Band zu werden oder so. Wir machen die Musik für uns selbst, weil wir etwas in uns haben, das wir gerne ausdrücken möchten, eine Art kreatives Ventil für die schwarzen Löcher in unseren Seelen… Wenn jemand unsere Musik mag, betrachten wir das als willkommenen Bonus, aber das Ziel ist die Musik an sich, sie zu kreieren und aufzunehmen.
Abgesehen davon denke ich, dass Thor and Trollmusic wirklich gut für uns funktionieren. Wir haben das Gefühl, dass wir eine gute, gesunde Zusammenarbeit haben! Wir freuen uns schon darauf, Album Nummer drei und vier zu machen, um zu sehen, ob wir jemanden schockieren können, oder zumindest ein paar Augenbrauen hochziehen…

Ich muss meiner Begeisterung noch einmal Ausdruck verleihen: Die pumpenden, hämmernden Drums, die herrlich flirrenden Gitarren und der grätzige Gesang – das klingt sehr weit entfernt von modernen Studiosound und eher nach 1996. Wie alt seid ihr denn eigentlich?

Der Sound unserer Alben ist sehr genau ausgefeilt und genau so gewollt.
Wir wurden allerdings schon dafür kritisiert. “Fornhem hat einen furchtbaren Sound” sagen manche, aber das ist völlig unwahr! Wir haben einen GROSSARTIGEN Sound für das, was wir erreichen wollen!
Die Sache mit der Musik ist, dass mindestens die Hälfte des Erlebnisses der Sound ist, die Produktion. Kannst du dir also vorstellen, was für eine Katastrophe es wäre, wenn wir einen modernen, überproduzierten Plastiksound hätten? (Kann ich, aber ich will nicht. – merula)
Das wäre furchtbar. Ich wäre absolut dagegen, ein solches Produkt mit Fornhem herauszubringen.
Ich bin mir nicht sicher, ob das Alter etwas mit dem Klang oder der Musik zu tun hat. Oder vielleicht doch? Wir sind drei verschiedene Personen in der Band und von unterschiedlichem Alter, wobei zwischen jedem Bandmitglied etwa zehn Jahre liegen… Ich bin in den 70ern aufgewachsen, vielleicht ist das eine Erklärung dafür, warum die Musik so klingt, wie sie klingt?
Einige Leute haben auch geäußert, dass wir eher wie eine norwegische Band als wie eine schwedische klingen. Warum ist das so? Vielleicht weil wir in unserem Leben hauptsächlich norwegische Bands gehört haben? Ich meine, Bathory kommen aus Schweden, aber die anderen Bands sind nicht stark oder großartig genug im Vergleich zu den norwegischen Bands. (Ui!)
Machen wir das absichtlich? Nun, ich habe eine Vorstellung davon, wie ich es klingen lassen will. Aber ich sitze nicht mit meiner Gitarre herum und denke “wie kann ich es norwegischer spielen?”… Das kann man nicht als kreative Arbeit bezeichnen! Haha!

Möchtet ihr eure Personen ganz aus der Musik heraushalten, oder wollt ihr verraten, wer ihr seid und was ihr beruflich macht?

Nicht komplett, aber wir wollen irrelevante Dinge wie Familie, Lieblingseiscreme und dergleichen heraushalten, haha! Ich denke, dass wir darüber reden können, was für Menschen wir sind und vielleicht, wenn wir in unserer Freizeit etwas Interessantes machen, das Licht auf die Entstehung unserer Musik werfen kann. Okay?
Vafthrudner und ich sind, so wage ich zu behaupten, alte und verbitterte Männer mit der Welt auf unseren Schultern.
Ich liebe es zu lesen. Ich persönlich habe eine große Vorliebe für Musik im Allgemeinen (bis auf die überproduzierte Easy-Listening-Musik, die man im Radio und auf Top-Charts hört).
Thuleman ist ein Hauch frischer Luft im abgestandenen Black Metal Universum! Er ist immer noch jung und voller Energie, sehr aktiv in der Musik und bei der Organisation von Konzerten und so weiter, hat immer einen Witz auf Lager, aber wer hat das nicht!?

Na, da gibt es schon einige. Schön, dass ihr da lockerer seid.
Von oben sieht die Gegend um Norrköping toll aus, viel Natur. Geht ihr angeln, wandern und Pilze suchen, oder konzentriert ihr eure Sinne nur auf die Musik?

Es ist eine Umgebung mit sehr viel Natur; Wälder, Seen, Berge. Wie ich schon sagte, sind wir drei verschiedene Menschen, aber ich denke, wir alle schätzen es, in der Natur zu sein. Die Natur erfrischt den Geist, pustet die Spinnweben weg, macht einen in gewisser Weise lebendig, vor allem, wenn man lange in der Stadt gelebt hat. Die Stadt ist sicherlich eine große Ursache für psychische Erkrankungen und Krankheiten.
Ich persönlich brauche nicht viel, um kreativ zu sein. Ich brauche nur ein Bücherregal mit tollen Büchern zum Lesen, eine Tasse Tee und ein paar Gitarren in der Nähe, und früher oder später werde ich Musik machen!

Welch sympathische Einstellung! Auch wenn nun mal leider nicht alle in der Natur leben können, so kan ich das doch absolut nachvollziehen.
“Ett Fjärran Kall” war euer Debütalbum von 2017. Darf ich fragen, wie lange ihr insgesamt daran gearbeitet habt?

Wenn ich mich recht entsinne, haben wir 2014 mit der Arbeit an den Songs begonnen und 2015 aufgenommen. Danach hat es einige Zeit gedauert, einen Plattenvertrag zu finden, und danach brauchte es einige Zeit für die Covergestaltung und so weiter. Und schließlich hat das Label einen Zeitplan, wann es die Alben veröffentlicht. All das hat dazu beigetragen, dass es ein langer Prozess von den ersten Ideen bis zum fertigen und veröffentlichten Album war.

In Songs wie “Úrdjupets svärta” scheinst du eine Leidenschaft für Folklore zu offenbaren. Mögt ihr Garmarna oder auch Hedningarna, oder orientiert ihr euch, wenn überhaupt, an ursprünglicher Folklore?

Wenn du traditionelle Musik meinst, dann ja! Ich mag diese beiden Bands, aber es gibt auch recht viele Bands, die auf Folkmusik basieren.
Als ich jünger war, habe ich mir Sachen wie Skyclad und The Corrs angehört, und in Schweden haben wir eine Menge alter Bands, die sich in den 70er Jahren der nordischen traditionellen Musik / Folkmusik verschrieben haben. Ich empfehle dringend, dir Kebnekaise anzuhören (die immer noch aktiv sind und Alben machen!).
Kürzlich entdeckte ich auch Barbora Xu, eine Dame, die verschiedene Zithern spielt und auf Finnisch singt. Sehr ausdrucksstark, minimalistisch und vor allem nicht gekünstelt. (Sehr guter Tipp!!! – merula)
Abgesehen davon hat Black Metal eine lange Tradition, was das Hinzufügen von Volksmusikelementen angeht; Bathory natürlich, frühe Ulver, Isengard, Kampfar, frühe Satyricon und natürlich Enslaved. Selbstverständlich gibt es noch mehr Bands da draußen, aber ich kenne nicht jede Band im Universum, also…
Davon abgesehen mag ich auch Folk, Klassik, Mittelalter und Renaissance ohne moderne Einflüsse.

 

 

Zwischen euren beiden bisherigen Alben liegen vier Jahre. Arbeitet ihr generell in einem eher gemäßigten Tempo und habt die ganze Zeit über Stück für Stück an neuen Songs gearbeitet, oder wart ihr mit ganz anderen Dingen beschäftigt und habt dann vor ein paar Monaten plötzlich wieder angefangen?

Wir arbeiten ein bisschen geruhsam, denke ich. Aber du musst wissen, dass Vafthrudner und ich seit 2013 zusammen spielen (zuerst in Fördärv und dann in Fornhem) und wir haben einfach weiter geackert, Songs gemacht, geprobt, aufgenommen und veröffentlicht in einem scheinbar endlosen Zyklus. Aber nach der Veröffentlichung von “Ett fjärran kall” waren wir beide erschöpft und brauchten eine Auszeit. Wir haben 2018 mit den Proben für das zweite Album begonnen. Aber diese Sache, die sich Leben nennt, kommt von Zeit zu Zeit dazwischen.
Und da wir nur zu zweit waren, mussten wir aufeinander warten, weil keiner von uns allein ohne den anderen fertig werden konnte. Aber seit Thuleman dabei ist, wird es einfacher. Denn wenn 2 eine Zeit lang ohne den Dritten weitermachen können, dann tun wir das auch, und der Dritte kann einsteigen, wann immer er bereit ist, ohne Probleme.

So sehr ich “Ett Fjärran Kal” auch mag, “Stämman Från Berget” ist eine deutliche Weiterentwicklung. Der Sound klingt viel differenzierter, auch im Songwriting scheint ihr Erfahrung gesammelt zu haben. Schon die sich langsam aufbauende Gitarrenmelodie in “Den Längsta Dagen” entwickelt sich zu einem absoluten Ohrwurm!
Möchtest du das Album kommentieren?

Nun, zunächst einmal: Danke, dass ihr euch die Qualität unserer Musik anhört! Wir haben viel am Songwriting gearbeitet. Ich erinnere mich, dass ich das erste Album rückblickend analysierte und mich fragte – was ist gut und was kann verbessert werden?
Eines dieser Dinge war, die Songstrukturen zu vereinfachen, sie brauchten weniger abrupte Wechsel und eine sanftere Progression. Eines unserer Ziele ist es, Atmosphäre und Minimalismus zu schaffen, und das kann man nicht erreichen, wenn man zu abrupt ist oder zu kurze Passagen spielt. Ich denke, es ist uns gelungen, längere Linien in die Musik einzubauen und die meditative Atmosphäre zu schaffen, nach der wir uns sehnen, aber es kann immer noch besser werden. Die Melodie ist, wie du schon sagst, auch von Bedeutung.
Für mich sind Hooks und einprägsame Riffs und Melodien sehr wichtig. Wenn es keine Melodie oder ein gutes, eingängiges Riff gibt, dann gibt es keinen Song. Wenn man sich beim Hören eines Songs oder eines Albums an nichts erinnert, dann ist es ein Misserfolg. Ich arbeite hart daran, Musik zu machen, die einen in ihren Bann zieht und die man nicht vergisst, wenn sie vorbei ist. Ich denke, dass Fornhem insgesamt ziemlich gut darin sind, aber wir können uns immer noch weiterentwickeln und noch mehr und weiter vorankommen! Wartet einfach auf Album #3, es wird etwas Besonderes sein!

Ich warte sehr gerne und bin schon gespannt!
Aus dem Booklet kann man ein wenig über deine Texte erfahren, aber könntest du uns für diejenigen, die mit der schwedischen Sprache nicht vertraut sind, etwas mehr über deine Texte oder einige von ihnen erzählen?
Die Frage geht nun an Vafthrudner, der alle Texte schreibt.

Nun, auf diesem Album gibt es vier Texte (das fünfte Stück, ”Untergang”, ist ein Instrumentalstück), und sie alle erzählen unterschiedliche Geschichten, während sie es gleichzeitig schaffen, in gewisser Weise miteinander zu verschmelzen.
Der erste Titel, ”Den Längsta Dagen” (”Der längste Tag”), basiert auf Ingmar Bergmans Film ”Das siebente Siegel” von 1957, der im Mittelalter spielt.
Ein Ritter kehrt nach Hause nach Schweden bzw. Skandinavien zurück, nachdem er zehn Jahre im Heiligen Land für die Kirche gekämpft hat. In dieser Zeit hat er seinen Glauben an Gott verloren, und in seiner Heimat wütet die Pest.
Auf wirklich poetische Weise schließt er mit dem Tod, der ihn holen will, einen Pakt, um sein Ableben aufzuschieben, während sie eine Partie Schach spielen. In diesem Stück, wie auch im Film, geht es weniger um den Verlust des Glaubens als um die Angst vor dem Tod bzw. dem Unbekannten.
Das zweite Stück, ”Utharba Spa” (altnordisch: “Ich sage den Untergang voraus”), ist eine fantasievolle Interpretation eines Runensteins in Südschweden, der ziemlich einzigartig ist, da er einen Fluch enthält (der Titel des Songs).
Im modernen Schwedisch bedeutet dieser Satz “Jag spår fördärv”, und da Fördärv der Name des Projekts war, mit dem Solbane und ich angefangen haben und 2013 die EP The Echo of Emptiness und 2014 das Album Between the Eternities veröffentlicht haben, dachte ich, dass es passend wäre, dies hier zu verwenden, auch weil meiner Meinung nach musikalisch viel von Fördärv in diesem Stück steckt.
Der dritte Track, ”Förlist” (“Schiffbrüchiger”), handelte ursprünglich von einem Schiff, das in einem Sturm untergeht. Da ich an der Küste geboren und aufgewachsen bin, war ich schon immer von nautischen Themen fasziniert.
Aber der Text entwickelte sich zu etwas Tieferem, da das Schiff als eines dargestellt wird, das den Geist auf dem Weg durch das Leben beherbergt; ein Bild, das man in einer Vielzahl von Mythologien finden kann.
Ich habe hier ein paar nordische Referenzen verwendet, aber ich sehe diese Art von Symbolik als etwas Universelles an.
Das vierte und letzte Stück (mit Text), ”Stämman från Berget” (Die Stimme aus dem Berg), basiert auf den ersten Kapiteln von Friedrich Nietzsches “Also Sprach Zarathustra”, wo der Einsiedler Zarathustra von dem Berg herabsteigt, auf dem er zehn Jahre lang gelebt hat, um den Menschen zu sagen, dass “Gott tot ist”. Ich sehe diese Erklärung Nietzsches als eine Art Ausgangspunkt für unsere moderne, säkularisierte westliche Gesellschaft, und ich denke, dass dieses Lied das Album auf perfekte Weise abschließt, da es in gewisser Weise das erste Lied widerspiegelt; in ”Den Längsta Dagen” gibt es einen treuen Ritter, der zehn Jahre lang in der einsamen Wüste für die Sache Gottes gekämpft hat und dann seinen Glauben verliert, während er auch dem Tod ins Auge sieht.
In ”Stämman från Berget” kommt ein Einsiedler nach zehn Jahren (Anm.: dieselbe Zeitspanne) Isolation (auf dem Berg) zu dem Schluss, dass Gott tot ist (falls es ihn je gegeben hat), und diese “neue Erkenntnis” wird zweifellos zu einer verzweifelten Suche der Menschen nach dem Sinn des Lebens und zu Angst vor dem Tod führen.

Danke Vafthrudner für diese tiefen Einblicke in dein Schaffen.
Spielt ihr auch live, oder habt ihr das vor?
Solbane meldet sich zurück.

Wir haben bisher keine unmittelbaren Pläne, aber wir sind offen für Möglichkeiten. Im Moment haben wir keine Pläne, live zu spielen, aber wir sind nicht dagegen. Es bedarf einiger Planung und Proben, und wir müssen uns auch über eine mögliche Live-Besetzung Gedanken machen, da wir live mindestens eine fünfköpfige Band sein müssen.
Ich muss allerdings sagen, dass ich in der Vergangenheit schon in anderen Bands live gespielt habe und die Zeit auf der Bühne ist meistens der Moment, für den man lebt und den man zu schätzen weiß – es sei denn, es geht etwas furchtbar schief.
Aber alles drum herum ist anstrengend und frisst deine Energie auf. Das bedeutet, dass es für uns wichtig ist, dass die Umstände, unter denen wir in Zukunft live spielen, gut sind, um die Erschöpfung und das Gefühl, mehr oder weniger bedeutungslos zu sein, zu minimieren. Im Grunde will ich damit sagen, dass ich zu alt (und zu kalt?) (he he – merula) bin, um in einem Van herumzufahren und für eine Kiste Bier und Benzingeld zu spielen… haha!

Dann soltest du vielleicht mal das ”Alt-Fränkische Landbier” kosten, ich entdeckte es vor wenigen Tagen und bin total begeistert.
Aber vor allem: Männer, vielen Dank für eure Mühe!

Vielen Dank für dieses Interview! Es hat uns gefallen, weil es ein bisschen anders war als die üblichen Interviews, die wir bekommen. (Ganz großes Dankeschön. – merula)
Es war toll, einmal mehr über die Musik als über Ideologie zu sprechen. Den Lesern möchte ich sagen: Wenn ihr bis hierher gelesen habt, dann danke ich euch! Unterstützt Fornhem, indem ihr unsere Musik kauft und anhört. Verbreitet das Wort an andere, von denen ihr denkt, dass sie unsere rohe Musik schätzen könnten!
Over and out, scream and shout! Prost von Solbane und Vafthrudner. Thuleman sagt auch Hallo!