Suckspeed – Slow Motion
We Bite
38:54 min
1991
Crossover
Vor ungefähr 30 Jahren bedeutete Crossover noch nicht, dass ein paar Suppenkasper auf vollkommen originelle Weise Techno mit Funk und Rock vermixen, nein, nur zwei Zutaten benötigte dieses wundervolle Genre: Hardcore Punk und Thrash Metal.
Besonders erwähnenswert aus dieser Epoche dürften D.R.I, Cro-Mags und Gang Green sein, aus der DDR Bottled und aus der BRD eben Suckspeed.
Wobei diese über eine Karriere von drei Alben noch Einiges mehr verbrieten; speziell auf diesem zweiten Album müssen dazu unbedingt Led Zeppelin genannt werden.
„Try Harder“ heißt das erste Lied und ist gleich ein echter Brocken. Sanfte Klänge, eine filigran gezupfte Gitarre läuten das Album ein. Alles hat seine Zeit, sich zu entwickeln.
Nicht von ungefähr der Albumtitel „Slow Motion“.
Dann setzt der warm verzerrte Bass ein, kurz darauf das Schlagzeug, und spätestens in diesem Augenblick fällt der ganz besondere Sound auf, der vor Räumlichkeit, Direktheit und Wärme nur so überquillt. Das Lied baut sich weiter und weiter auf, dann vernehmen wir Michi Bothes verdammt coole, entspannte Hardcore Stimme, und der Song findet sein starkes, zum Headbanging animierendes Hauptthema.
Noch eine Schippe Kohlen mehr gefällig? Gerne, denn es folgt der Proto-Speed-Metal-Punk-Klassiker „Steppenwolf“ mit der ikonischen Textzeile „Freedom is just another word for nothing left to loose“; neben „Get Away“ und Teilen von „Luxury Town“ das schnellste Material des Albums.
Ein Hauptteil der Platte liegt aber auch auf eben jenen schleppend groovigen Krachern im Mittelteil, wie „In My Bed“ (kann ja nur gut sein) oder „Guernica“.
Ich liebe das Album von ganzem Herzen. Die Band sah ich viermal live, beim letzten Mal (Club im Park, Fürstenwalde) trank ich ihr Bier aus, was mir bis heute leid tut.
Die Formation existiert nicht mehr, ihr Vermächtnis schon.
„Slow Motion“ ist gebraucht bei mehreren Händlern zu bekommen, und immer billiger als die neue von As I Lay Dying oder Kid Rock.
Also, Hintern hoch und gönnt euch etwas wirklich Gutes!
Razor – Cycle of Contempt
Relapse Records
43:02
Thrash Metal
Niemand mag schlecht gelaunte Kneipenschläger, jedenfalls wenn man selbst in jener Kneipe sitzt.
Als Schreihals hinterm Mikrofon einer Thrash Metal Band ist das aber etwas ganz Anderes; na ihr ahnt es schon: es geht um Kanadas Abrisskommando RAZOR.
Ganze 25 Jahre mussten wir auf das neue Werk warten, und es hat sich gelohnt; aber sowas von.
Wichtigste Neuerung: Es gibt keine! Was für eine schmackhafte Nachricht in dieser irren Zeit.
Auf ein kleines, kultiges Intro folgt mit „Flames of Hatred“ die erste Granate, es kommen elf weitere von ähnlichem Kaliber, wobei mir gerade „First-Rate Hate“ besonders positiv auffällt.
Aufgrund der weitgehend hallfreien Produktion klingt der sau-fiese Gesang von Bob Reid so direkt, als spräche er dich persönlich an, und zwar ein letztes Mal, bevor du den dumpfen Geschmack deines eigenen Blutes im inneren Gesichtsbereich verspürst.
Wir reden über Razor, also ist es vollkommen in Ordnung, dass sich das Drumming auf jeder beliebigen Skala am entgegengesetzten Ende von Mike Portnoy befindet und manchmal ein bisschen an ein hysterisches Metronom erinnert. Passt wie Kopf auf den Eimer!
Die Gitarren schmettern vom Feinsten, die Riffs sägen. Und wer ab und an mal eine Tonfolge etwas beliebig findet, heißt wahrscheinlich Heino mit einzigem Namen.
Gitarrensoli sind bisserl unspektakulär, doch treffend; und ganz ehrlich, in den Songs herrscht so viel Action, dass hier weniger wahrscheinlich wirklich mehr ist.
Cover old school, Texte, na ihr ahnt es schon, extrem unangenehm, und das vom Allerfeinsten. Rache, Schläge, Mord und so.
Es ist das Gesamtkunstwerk, das begeistert. Brutal, aggressiv, gehetzt, nackenwirbelbrechend, direkt und absolut ehrlich. Watt willste mehr?!?!
Seven Sisters – Shadow of a Fallen Star Pt. 1
Dissonance Productions
40:09
Heavy Metal
Ach, es erscheinen so viele Alben heutzutage, und ich muss zugeben, dass ich ohne den fantastischen Iren Máirtín Mac Cormac wohl kaum Notiz von dieser englischen Band genommen hätte. Was ein unbeschreiblicher Verlust für mein ganzes weiteres Leben gewesen wäre, wie ich nun weiß.
Das Album beginnt mit einem nicht zu langen, einladenden Intro. Majestätisch und episch, das macht Freude auf mehr.
„Beyond the Black Stars“ glänzt mit vielen gelungenen Tempowechseln und einer progressiven Atmosphäre, erinnert mich dadurch ein ganz klein wenig an die hochverehrten Secrecy aus Bremen.
Und dann geht es richtig los: „The Artifice“ ist das schönste, anmutigste Lied – versucht, mir zu glauben! – seit Warlord‘s „Lost and Lonely Days“. Was für Meister ihres musikalischen Fachs!
Die Kinnlade klappt herunter, mein Herz glüht, ich höre das Album fast jeden Tag.
Und ich schwöre euch, das weitere Material lässt nicht nach! Jedes einzelne Lied ist eine Hymne, bestückt mit Epic, Dramatik und Melancholie, getragen von Kyle McNeill‘s glasklarer, angenem hoher Stimme.
Dass jeder Musiker der Band sein Instrument grandios beherrscht, jedoch an keiner Stelle eine nicht songdienliche Note erscheint, muss kaum noch erwähnt werden.
Die Produktion ist klar und druckvoll – zeitgemäß, nicht modern; und an dieser Stelle soll das anheimelnd blaue SciFi Coverartwork nicht unerwähnt bleiben!
Die beiden älteren Bandalben werden meine nächste Anschaffung sein; vor allem jedoch frohlocke ich, weil dieser Albumtitel hier ein „Pt. 1“ beinhaltet. Nachschub ist also in Aussicht!
Könnte doch das Leben immer so schön sein wie während dieser vierzig Minuten Höhrgenuss!
The Troops Of Doom – Antichrist Reborn
Alma Mater Records
47:05 min
Thrash Metal
Wenn ihr zuhause Sepultura auflegt, muss es scheppern und krachen, und die Jahreszahl auf dem Cover darf nicht größer als 1989 sein?
Dann ist das hier euer Album!!!
Der fantastisch gereifte Jairo „Tormentor“ Guedz (zupfte schon auf den ersten beiden Sepultura-Vinylen die Saiten) und seine Mannen Alexandre Oliveira (dr), Marcelo Vasco (g) und Alex Kafer (voc + bg) werfen nach zwei gutartigen EPs einen solch gewaltigen Longplayer auf den Teller, dass jedem geneigten Fan vor Freude der Gaumen tropft.
Benannt hat sich das Ensemble nach einem Lied von „Morbid Visions“ und – noch viel besser – das Debütalbum ausgestattet mit einem an „Bestial Devastation“ angelehnten Artwork.
Eine kleine Einleitung … ehhh, leitet den ersten Song „Dethroned Messiah“ ein, und Sekunden später jagt euch, liebe Freundinnen und Freunde, das manifestierte Fegefeuer durch die Gehörgänge, reißt gleich Herz und Seele mit. So muss gehackt werden, so werden Nacken gerüttelt und Haare geschüttelt, hier stimmt alles in puncto Geschwindigkeit und Härte.
Der gepresste Gesang im Stil alter Sep‘s verkündet blasphemische Botschaften, passt alles ganz prima.
Dass Peter Tägtgren hier einen angenehm vollen und natürlichen Klang hinzaubert, in dem echte dreschende Drums auf fette Slayergitarren treffen, bekräftigt seine Behauptung, dass die oftmals klinisch klingenden Produkte aus seinem Hause nicht ihm geschuldet sind, sondern den Wünschen der Bands bzw. gar deren Labels.
„Grief“ ist ein angenehmes kleines Instrumentalstück, doch – Donnerwetter nocheinmal!!! – schon geht es weiter mit der Dampframme „Pray into the Abyss“.
Auffallend sind auch der hohe Abwechslungsreichtum im Songwriting, und das bei diesem Tempo und Härtegrad, sowie die unaufdringliche, schöne Dramatik zeichnende Melodiegitarre, die oftmals so angenehm die Stimmung verdunkelt. Wer genau hinhört, erkennt im 9. Lied „A Queda“ übrigens die Stimme von Joao Gordo der wundervollen Ratos de Porao.
Angereichert wird das Album noch durch zwei Coverversionen: „Necromancer“ von Sepultura sowie „The Usurper“ von Celtic Frost.
Tormentor: schön, dass du wieder da bist!
Gute Musik kann selbstverständlich auf jedem Medium veröffentlicht werden, doch wenn eine Band ihr Demo als Tape herausbringt, bin ich gleich doppelt begeistert. Über Boarhammer, die auf eben jene Art jüngst ihr Debüt veröffentlichten, kann es kaum zwei Meinungen geben: sie sind einfach sehr, sehr gut, und so freue ich mich, dass The Vessel (Vocals, Drums, Bass) und Wodwoz (Guitars, Vocals) sich auf ein Gespräch einließen!
Ich bin unglaublich alt und habe mich schon aus diesem Grunde sofort in „I: Cutting Wood For Magickal Purposes“ verliebt. Es klingt bei aller Eigenständigkeit genau wie Anfang / Mitte der 1990er. Ist es anmaßend, euch eine gewisse Liebe zum alten Black Metal Osteuropas zu unterstellen?
The Vessel: Nein, das ist kein bisschen anmaßend. Besonders Master’s Hammer ist eine Band, die wir sehr schätzen. Die Kombination aus Kauzigkeit, traditionellem Heavy Metal, Raserei und beinahe schon opernhaftem Bombast ist etwas, das mich schon ziemlich beeindruckt hat, als ich es irgendwann in den 90ern erstmals zu hören bekam. Durch die Herkunft meiner Großmutter habe ich auch einen persönlichen Bezug nach Osteuropa: Sie kam aus der Region der Hohen Tatra und brachte mich bereits in früher Kindheit in Kontakt mit zahlreichen Mythen, Sagen, Geschichten von okkulten Praktiken und merkwürdigen Ereignissen etc. Vielleicht hat das mein Interesse an diesen Themen geprägt.
Wodwoz: Merula, erstmal herzlichen Dank für das Liebesbekenntnis – wir fühlen uns sehr geehrt! Klar, da gibt es schon einige Bands, die wir auch während der Entstehungsphase des Demos regelmäßig gehört haben. Definitiv Master’s Hammer. Tormentor sind auch großartig, klingen aber auch schon wieder ganz anders. Gut möglich also, dass sich der ein oder andere Einfluss eingeschlichen hat. Generell versuchen wir aber, eine eigene musikalische Sprache zu finden und nicht der tausendste Klon von irgendwas zu sein. Möglicherweise ist es genau diese Herangehensweise, die uns in die Nähe der von dir genannten Bands rückt.
Ich vernehme viele Einflüsse von okkultem und schwarzgefärbten Heavy Metal. Auch aufwühlende Twin Guitars, z.B. in „Spirits on Black Wings“. Mein erster Gedanke, das klingt aber sehr nach alten Messiah, relativierte sich später und bezog sich wohl eher auf den genialen Gesang.
Trotzdem, „Hymn to Abramelin“ und „Extreme Cold Weather“ sind unsterblich und sollten monatlich gehört werden, oder?
The Vessel: Um ehrlich zu sein, sind Messiah bisher keine Band von großer Relevanz für uns gewesen; tatsächlich habe ich die Band durch Deine Anspielung auf sie das erste Mal bewusst wahrgenommen. Das mag eine Bildungslücke darstellen, entspricht aber der Wahrheit. Ich finde allerdings gerade auf der „Hymn to Abramelin“ den Gesang ziemlich super.
Wodwoz: Da muss ich leider auch passen.. Messiah sind an mir bisher ebenfalls vorbeigegangen. Aber danke für den Anspieltipp, geiler Scheiß! Ich mag ja generell sehr gerne Bands, die in diesem kleinen Zeitfenster irgendwo Mitte der Achtziger über Genregrenzen hinweg extremen Metal fabriziert haben.
2020 habt ihr euch gegründet, 2021 ein starkes Tape veröffentlicht. Was kommt 2022?
The Vessel: Wir arbeiten weiterhin an neuen Songs und hoffen, diese im Laufe des Jahres aufzunehmen. Vor einigen Wochen haben wir Kontakt mit dem kleinen, aber feinen Label Naturmacht Productions aufgenommen; Robert war recht angetan von unserem Demo-Tape und wird wohl unsere nächsten Aufnahmen veröffentlichen. Wann das passieren wird, ist aber noch nicht spruchreif. Wir hoffen, dass wir in 2023 unser erstes Album veröffentlichen können.
Wodwoz: Wir haben auf jeden Fall Blut geleckt! Als wir vor anderthalb Jahren mit der Band angefangen haben, war der Anspruch tatsächlich nur, endlich mal wieder im Proberaum Krach zu machen und dabei im besten Fall ein paar Songs zu produzieren, die uns selbst Spaß machen. Obwohl wir beide schon ewig befreundet sind, hat es sich vorher nie ergeben, dass wir zusammen Musik gemacht haben. Dass die Chemie dann letztlich so gut gepasst hat, hat uns ehrlich gesagt selbst ein bisschen überrascht. Mittlerweile ist das Demo ein halbes Jahr alt und seitdem war es ein wilder Ritt: Wir haben massenweise positive Reviews und Rückmeldungen bekommen, unsere Tapes restlos ausverkauft und mit Naturmacht sogar ein Label gefunden, das bereit ist, unser nächstes Werk zu veröffentlichen.
Ein gutes und freundliches Label ist ein Gewinn. Was aber, wenn ihr ein Angebot von ganz weit oben erhalten würdet, sagen wir mal, so Richtung Napalm oder Nuclear Blast?
The Vessel: Ich glaube nicht, dass so ein großes Label für uns in Frage käme. Wir sind überzeugte Verfechter des DIY-Ethos und sind nicht bereit, uns von außen in unsere Ideen und Überzeugungen hineinreden zu lassen. Ich kann mir kaum vorstellen, dass eine große Plattenfirma einer Nischenband wie uns volle künstlerische Freiheit lassen würde; die möchten wir aber haben. Bei einem Label wie Naturmacht haben wir das Gefühl, dass Leute wie Robert die Sache aus den richtigen Gründen heraus tun und auch ihnen die Eigenständigkeit der Künstler*innen ein Anliegen ist, das eher gefördert als eingeschränkt werden sollte. Wenn es mehr um Verkaufszahlen als um die Musik geht, wird die Sache schwierig und für uns auch uninteressant. Wir lieben, was wir tun, sind aber zum Glück nicht darauf angewiesen, damit Geld zu verdienen.
Wodwoz: Dass Major Labels bei uns anklopfen, ist ein nettes Gedankenspiel, aber mehr auch nicht. Es gibt für unsere Musik ein kleine aber feine Zielgruppe von Freaks, aus der heraus innerhalb des letzten halben Jahres seit Veröffentlichung unseres Demos unglaublich viel positive Rückmeldung gekommen ist. Und genau das ist für uns der einzige Grund, warum wir das machen. Klar wollen wir perspektivisch noch mehr Leute erreichen, das aber definitiv weiterhin im Underground und mit voller kreativer Kontrolle!
Als ich mal in dieses Internet schaute, staunte ich nicht schlecht, dass es wirklich eine Waffe namens Boarhammer gibt. War euch das bei der Namensfindung bewusst, oder stand der Bohrhammer Pate, oder verlief die Namensgebung einfach auf spiritueller Ebene?
Aber davon abgesehen, was ist euer liebstes Handwerkzeug? (Meines ist die Wasserpumpenzange, auch Rohrzange genannt. Man kann damit packen, drehen, schrauben, brechen, hämmern und sogar werfen.)
The Vessel: Meinst du dieses Fantasy-Tabletop- oder Computerspiel-Dingen, oder diese Schlinge zum Jagen? (Das Schlingending, das scheinbar irgendwie den Druck der Waffe abdämpft. – m.) Diese Gerätschaften haben wir tatsächlich mittlerweile auch entdeckt. Bei der Namensfindung war uns beides nicht bewusst, aber zumindest die Fantasy-Waffe passt ja irgendwie… Tatsächlich haben wir bei der Namensfindung überlegt, wie wir einerseits ein Symbol für unseren thematisch-philosophischen Hintergrund finden und andererseits den Vertretern der Ursuppe des Black Metal, welche uns beeinflusst haben, weil wir mit ihrer Musik aufgewachsen sind, eine mehr oder weniger offensichtliche Referenz erweisen können. „Boar“ verkörpert für uns symbolisch ganz gut unsere Wald- und Mythenbezogenheit; Hellhammer sind halt super, so fügt sich eins ins andere.
Wodwoz: Dass wir beim deutschsprachigen Publikum häufig direkt diese Baumarktassoziationen wecken, war nicht beabsichtigt, lässt sich jetzt aber wohl nicht mehr ändern, haha. Unser Sound wurde mittlerweile schon mehrfach mit einer Rotte Wildschweinen verglichen, die durchs Unterholz wütet und eine Spur der Verwüstung hinterlässt – das finde ich schon passender. Wenn man dieses Boarhammer-Jagdzubehördingens googelt, findet man massenweise Photos und Videos von so Arschlochjägern, die Wildschweine und alles, was ihnen noch so vor die Flinte läuft, aus purem Spaß an der Freude abknallen, um dann mit den Trophäen posieren. Mögen sie alle von den gerechten Hauern des mächtigen Boarhammer qualvoll zerfleischt werden!
Seid ihr mehr auf das neue King Diamond, oder das neue Mercyful Fate Album gespannt? Und falls nichts von beiden, möchtet ihr wenigstens ein bisschen über eure Beziehung oder Einstellung zum King plaudern?
The Vessel: Ich bin definitiv mehr auf das neue Mercyful Fate Album gespannt. Die ersten beiden Alben, „Melissa“ und „Don’t break the Oath“, sind für mich wirklich starke Klassiker. Diese Mischung aus erstklassiger Gitarrenarbeit und dem einzigartigen Gesang des King ist unerreicht.
Wodwoz: Gespannt bin ich durchaus auf beide Alben, allerdings mache ich mir keine Illusionen, dass die neuen Scheiben auch nur ansatzweise an die Klassiker heranreichen können. Klar hat das dann schon immer Eventcharakter, wenn legendäre Bands ein neues Album rausbringen, und ich genieße es dann auch immer, mich in Ruhe damit hinzusetzen. Ehrlich gesagt hat das dann aber eher den Effekt, dass ich relativ schnell doch eher wieder eine alte Platte der entsprechenden Band auflege. Ich bin auch auf jeden Fall gespannter auf die neue Mercyful Fate! Ich bin da gar nicht der Megafan und von den späteren MF- und Kind Diamond-Album kenne ich auch längst nicht alle. Mir reichen im Prinzip wirklich „Melissa und „Don’t break the Oath“. Beide Alben atmen einen Spirit, den der King mit seinen späteren Besetzungen so nicht wieder reproduzieren konnte.
Stellt euch vor, ihr werdet vor die Wahl gestellt: Ihr könnt entweder jede musikalische Veröffentlichung vor dem Jahre 2000 hören, und nicht nur hören, ihr dürft die originalen Tonträger in eure Sammlung stellen. Aber nichts mehr ab dem 1.1.2000, auch keine Neuerscheinung, diese Welt bleibt euch für immer verschlossen.
Oder ihr dürft alles ab 2000 bis zum Ende eurer irdischen Tage hören und sammeln, wirklich alles. Und kostenlos. Aber die Musik vor 2000 ist für immer weg.
Wie würdet ihr euch entscheiden?
Wodwoz: Ich verfolge sehr intensiv, was Woche für Woche an neuen Veröffentlichungen kommt, und bin immer auf der Suche nach musikalischen Neuentdeckungen. Das würde mir schon sehr fehlen, aber ich entscheide mich trotzdem für Variante A. Ich stelle zunehmend fest, dass ich zu Alben, die ich in den frühen Neunzigern entdeckt habe, eine derart starke nostalgische Verbindung habe, an die nur sehr wenige Veröffentlichungen nach 2000 rankommen. Außerdem gibt es quer durch die Musikgeschichte immer noch so viel zu entdecken, das schafft man in einem Leben gar nicht alles durchzuhören. Langweilig würde es also nicht mit ausschließlich alter Musik.
The Vessel: Auf jeden Fall die Musik von vor 2000. Die Menge an innovativen Bands, wie es sie zwischen sagen wir mal grob 1970 und 2000 im Rock- und Metal-Bereich gab, darf nicht verloren gehen. Selbstverständlich gab es auch seit 2000 und gibt es auch heute tolle Bands, die Grenzen sprengen und in der Lage sind, der Metal-Musik neue Facetten hinzuzufügen. Aber wenn alles vor 2000 weg wäre, wäre dies für mich wohl der dramatischere Verlust.
Ich vermute bei euch eine tiefe Naturverbundenheit. Bezieht sich diese eher nur auf Rituale im düstren Tann, oder geht ihr zum Beispiel auch angeln, jagen, Pilze suchen oder Kräuter sammeln?
The Vessel: Im düsteren Tann unterwegs zu sein gehört zur Boarhammer-Routine auf jeden Fall dazu; der Wald ist quasi das natürliche Habitat des Boarhammers. Hier haben wir beschlossen, die Band zu gründen, und hier entstanden und entstehen viele wichtige Ideen rund um unsere Musik und unser Konzept. Meine Beziehung zur Natur ist allerdings deutlich vielfältiger und beschränkt sich nicht auf die Band. Die Natur ist mir sowohl in der konkreten Erfahrung (z.B. durch das Wandern, das Betrachten und Fühlen von Landschaft und Wetter, aber durchaus auch durch das Sammeln von Kräutern oder Materialien) als auch in philosophischer Hinsicht (z.B. bzgl. der symbolischen Ebene der Bedeutung des Waldes, der Berge, des Meeres etc. in verschiedenen Mythologien) wichtig.
Wodwoz: Das Sammeln von Pilzen sowie Wild- und Heilkräutern hat für mich in den letzten Jahren einen immer größeren Stellenwert gewonnen. Ich finde es faszinierend, welche Vielfalt es gibt, und gleichzeitig erschreckend, wie weit wir uns mit unserer modernen Lebensweise vom Wissen und von den Praktiken unserer Vorfahren entfernt haben. Für Jagen und Angeln in seiner archaischen Form habe ich großen Respekt. Beides spielt für uns allerdings keine Rolle, der Boarhammer koexistiert friedlich mit allen Kreaturen der Wälder und Gewässer!
Ich mag die Stellungnahme im Booklet. („Being an agent of chaos, BOARHAMMER deeply despises all kinds of concepts that aim at establishing an order of hierarchy of any kind, including ideas like racism, misogynism, sexism, fascism or any other -ism in the same vain. If you approve of concepts like that, BOARHAMMER is not for you.“)
Bedeutet „agent of chaos“ Sympathie zur Anarchie, oder ist das viel, viel tiefer als jede politische Anschauung angesiedelt? Oder beides?
The Vessel: Tatsächlich beides. Im Zusammenhang mit Black Metal finde ich den Bezug zum Weltbild der Kirche in England zu Zeiten Shakespeares beispielsweise sehr interessant. Im elisabethanischen Weltbild herrscht eine strenge, gottgegebene Hierarchie, an deren Spitze Gott selbst steht und die dem Menschen eine dem Rest der Natur klar überlegene Rolle zuweist. Innerhalb der menschlichen Gesellschaft existiert auch wieder eine strenge Hierarchie. Diese Umstände gelten als von Gott so gewollt; jegliche Auflehnung verkörpert die Macht des Chaos (deren Personifikation der Teufel ist) und muss im Sinne des Bewahrens bzw. der Wiederherstellung der Ordnung zerschlagen werden. Betrachtet man Black Metal nun als eine Art nihilistisches Prinzip, welches geltende Werte und Normen hinterfragt und verneint, also als eine Wirkungsweise des Chaos, lässt er sich nicht als ein politisches Instrument – wie im NSBM – rechtfertigen, da er als solches eher die Funktion hätte, Hierarchien zu bewahren oder voranzutreiben, also Ordnungen zu gestalten. Dies erscheint mir widersprüchlich.
Bedeutet „I“, dass dieses köstliche Demotape den ersten Teil eines Zyklus darstellt?
The Vessel: Genau. Es wird definitiv mehr kommen. Wir sind bereits dabei, unser Konzept weiterzuverfolgen, und arbeiten fleißig an neuem Material.
Wodwoz: Ja, nach all den positiven Reaktionen auf unser Demo ist die Motivation riesig, die nächste Veröffentlichung an den Start zu bringen!
Danke, großer BOARHAMMER, und viel Glück für eure Zukunft!
Count Raven – The Sixth Storm
I Hate
73:32 min
Heavy Doom Metal
Sänger Dan Fondelius als Ozzy Plagiat zu bezeichnen, ist ebenso unangebracht wie jegliche Vergleiche zu den düsteren Birminghamern zu leugnen.
Count Raven klingen eigenständig und, mal nebenbei gesagt, auch absolut großartig, aber beim Anhören ihres neuen (sechsten) Albums kann man sich nicht dagegen wehren, über das Thema nachzudenken.
Wenn überhaupt vergleichen, dann wirklich mit den ersten fünf Black Sabbath Alben, oder nicht sogar eher mit den ersten drei Ozzy Alben? Schande über den, der diese drei Werke gegenüber der Mutterband abfällig behandelt.
Nun denn, das neue Langeisen beginnt mit grandiosem Doom Metal der Heavy Metal rockenden Art – dass die Band ihren Doom weit entfernt von den Extremen Funeral und Death Doom zockt, dürfte bekannt sein.
Deftige, packende HEAVY Riffs treffen auf stimmige Refrains, und das alles vortrefflich verpackt in einen zermalmenden Sound, der nicht ein bisschen modern und doch so kraftvoll und klar klingt.
Hervorragend!
Im ersten Teil, um auf das Eingangsthema zurückzukommen, eher Black Sabbath, bis das vierte, außergewöhnliche und untypische Lied „Heaven‘s Door“ die geneigte Hörerin ganz berüht zurücklässt.
Ab da wird es, wenn ich das bitte so sagen dürfte, noch Ozzy-hafter im Sinne seiner frühen Solo Alben.
Also einerseits hitverdächtiger und Refrain orientierter.
Aber speziell, wer in seinem Leben schon einmal längere, schwere und schlimme Zeiten in ungesunder Beziehung zu Substanzen durchlebt, durchkämpft hat, sieht die frühen Ozzy Platten noch einmal in einem ganz anderen Blickwinkel als es der glückliche Durchschnittsbürger tut.
Diese Balance, diese Paarung aus zutiefst tragischen, traurigen, bitteren Parts mit dem kleinen Lächeln obendrüber. Betroffene wissen, was ich meine.
Auf diese Art dramatish und melancholisch wendet sich also das Liedmaterial ein wenig und findet im ergreifenden „Baltic Storm“ einen glänzenden Höhepunkt, für den allein ich die Platte schon kaufen würde.
Auf das lange und epische „Oden“ folgt der letzte Song „Goodbye“, und hinterlässt die Verfasserin dieser Zeilen sprachlos, mit salzhaltigem Wasser in den Augenwinkeln.
Erinnerungen werden wach, Songtitel wie „Changes“, „So Tired“, vor allem aber auch „Alone You Breathe“ (Savatage) drängen sich auf.
Brillant.
Metallica – Ride the Lightning vs. Master of Puppets
oder: Warum „Ride“ die bessere Platte ist.
Coverartwork
Ride the Lightning besticht in betörendem Blau, Master of Puppets‘ Cover ist aber dermaßen ikonisch, das der Punkt an „Master geht.
Ride: 0 Master: 1
Intro
Das Intro zu „Fight Fire with Fire“ ist ein fester Teil meines Lebens, und da ich es hörte, als seinerzeit (1985) gerade der erste Schnee fiel, denke ich seitdem bei Schnne immer an dieses epochale Album.
Musikalisch gesehen ist das Intro zu „Master of Puppets“ noch weitaus spannender und dramatischer. Auch dieser Punkt geht an „Master“.
Ride: 0 Master: 2
Erstes Lied
„Fight Fire with Fire“ oder „Battery“? Eine Entscheidung ist nicht möglich, beide bekommen einen Punkt.
Ride: 1 Master: 3
Zweites Lied
„Master of Puppets“ ist besser komponiert, „Ride the Lightning“ jedoch härter und dramatischer.
Je ein Punkt für beide.
Ride: 2 Master: 4
Drittes Lied
„The Thing that Should Not Be“ ist geil, „For Whom the Bell Tolls“ jedoch eine der größten Bandhymnen.
Ein Punkt für „Ride“.
Ride: 3 Master: 4
Viertes Lied, die Ballade
„Welcome Home (Sanitarium)“ ist großartig, „Fade to Black“ jedoch göttergleich.
Ein Punkt an „Ride“.
Ride: 4 Master: 4
Fünftes Lied, Opener der B-Seite.
„Trapped Under Ice“ geht ab wie eine Rakete, „Disposable Heroes“ ist dann aber ein wütendes, verzweifelt anklagendes Werk der absoluten Extraklasse.
Punkt an „Master“.
Ride: 4 Master: 5
Sechstes Lied, der „Filler“
Wenn wir hier von einem schwächeren Song reden, bedeutet das natürlich, dass diese beiden Lieder nur 10 von 10 Punkten bekommen würden, nicht 11 von 10.
„Leper Messiah“ ist trotz Längen aber besser als „Escape“ mit seinen unerklärlichen Trommelschägen neben der Reihe.
Ride: 4 Master: 6
Achtes bzw. siebtes Lied, das Instrumental
„Orion“ ist atemberaubend, düster und anrührend. Gegen den Jahrhundertsong „Call of Ktulu“, das vielleicht beste Metal-Instrumental der 200.000 Jahre alten Menschheitsgeschichte, kommt es jedoch nicht an.
Ride: 5 Master: 6
Siebtes bzw. achtes Lied – was halt übrig bleibt
„Damage, Inc.“ ist cool, „Creeping Death“ aber eine der größten Bandhymnen überhaupt.
Ich war in Lissabon bei einem Straßenfest der Arbeiterpartei. Was spielte die Band dort? Selbstverständlich „Creeping Death“, nicht „Damage, Inc.“!
Ride: 6 Master: 6
Sound
Der arg komprimierte Sound auf „Master of Puppets“ geht mir gehörig auf den Keks und hat keine Chance gegen den ungeschliffenen Brachialsound von „Ride the Lightning“.
Ride: 7 Master: 6
Gesamteindruck
Zwei Meilensteine, zwei anbetungswürdige Jahrhundertwerke.
Aber die rohe Urgewalt und das Ungestüm von „Ride the Lightning“ gingen danach verloren.
Ride: 8 Master: 6
Der Gewinner ist also eindeutig „Ride the Lightning“!
„Kill Em All“ liebe ich abgöttisch, habe ich hier aber nicht bewertet, da ich nur die beiden naheliegend gut vergleichbaren Alben besprechen wollte.
„… And Justice For All“ wäre sehr wohl vergleichbar, fällt für mich aber aufgrund seiner Langatmigkeit und der Frechheit gegenüber Jason vollkommen aus dem Rennen.
„Metallica“ ist ein tolles, fantastisches Heavy Rock Hit Album, passt aber nicht an diesen Ort.
Alle weiteren Alben sind weit von jeglicher Genialität entfernt, gleichwohl sind sie aber auch ganz gut; ich höre sie so ein bis zwei Mal im Jahr. Alle, auch „Lulu“ und „St. Anger“. So schlecht sind die nicht.
Die Apokalyptischen Reiter – Soft & Stronger
Ars Metalli
40:02 min
Reiter Metal
Die Geschichte der besten Band beginnt mit einem Pferdewiehern, und das ist auch gut so.
Klar, vorher gab es ein spektakuläres Demo und eine ebenso zufällige wie liebens- und glaubenswerte Story zur eigentlichen Bandentstehung, aber ein Pferdewiehern plus Bassgitarrentöne leiten das Album ein, das der Thüringer Formation den Weg zu einer weltumfassenden Karriere ebnete.
„Iron Fist“ zeigt, wo es lang geht, aber erst mit dem nächsten Lied „The Almighty“ zieht das Reitervolk alle Register: Abwechslungsreicher, deftiger und derber Death Metal mit epischen Einschüben, klassischen Piano-Passagen und vor allem dem genialen, prägenden Wechselgesang zwischen tiefen Growls (Eumel) und abartigem Kreisch (Skell).
Weiter geht die wilde Jagd mit „Execute“ und „Downfall“ bis hin zu „Metal will never die“, einer der größten Hymnen an den Metal selbst. Dass das Lied genau so ernst gemeint war wie ähnliche Songs von Manowar, begriffen damals leider nicht alle und hielten das alles für einen ärgerlichen Spaß. Verlogenes Pack – als würdet ihr am Wochenende in der Disco „Fast as a Shark“ mit herunterhängenden Mundwinkeln hören!
In dieser frühen Phase spielte die Band selbstverständlich noch nicht so reif und ausgeglichen wie ab den 2000ern, hackte oft auch wild drauf los, aber genau das war das Außergewöhnliche an dieser einmaligen Combo: In einer Welt, von der man dachte, alles an Black, Death, Heavy, Thrash, Speed Metal sei bereits gesagt, drängeln sich vier Jungs von ihrem Proberaum aus ungestüm direkt nach vorne in die erste Reihe, weiter und weiter. Beeindruckend bis zum heutigen Tage – und auf diese eine gewisse Art und Weise auch ihr bestes Album. Revolutionär.
Duplizieren ließ sich das nicht, und das wussten die schlauen Reiter und beschritten von nun an einen Pfad der metallischen Wechselhaftigkeit, der je nch Geschmack als genial oder anstrengend, allerdings niemals als mittelmäßig empfunden werden kann.
Helheim – WoduridaR
Dark Essence
57:14
Black / Viking Metal
Helheim aus Bergen haben ein neues Album veröffentlicht, was ansich schon Grund genug zur Freude ist. Mit diesem, ihrem elften, Longplayer haben sie sich allerdings einen solch großartigen Meilenstein ins Œuvre gehievt, dass es sich lohnt, ausreichend Brennholz für ein ganzes Freudenfeuer zu sammeln.
Nach einem kurzen Quasi-Intro startet das Album fulminant mit der Hochgeschwindigkeits-Hiebwaffe „Vilje av Stål“. Mit einem mörderischen, zwanzigsekündigem Schrei beginnt ein Feuerwerk an Drumming und wilden Gitarren, die aber recht bald in – noch immer hochtempoige – melodiöse Gitarren und reizvollen Wechselgesang zwischen harsch und klar übergehen.
Anbetungswürdig! Klingt so dermaßen nach bestem Mittneunziger Norse Viking / Black Metal, wie es sogar Helheim selbst seinerzeit kaum hinbekamen.
Weiter geht es mit „Forrang for fiede“ mit weiterhin hohem Musiziertempo, das jedoch innerhalb der einen jeden Blackmetaller glücklich stimmenden Geschwindigkeit reichlich Abwechslung sowie recht progressive Gitarren und ulveresken Bergtatt-Gesang bietet.
Der nun folgende Titeltrack vertieft das alles noch und setzt neben einer sehr gelungenen Singstimme auf eine hinreißende, melancholische Grundstimmung und Stilmittel wie unheilverkündende Trommeln.
Als wäre Abwechslung auf diesem Album nicht sowieso schon ganz groß geschrieben, lockt „Åndsfilosofen“ sogar mit erhabenen bitter-süßen Refrains, die mich fast ein wenig an eine schwarzmetallische „Sistinas“ Version erinnern. Klasse!
„Ni s solu sot“ startet mit sehr melodischen Gitarren und ist allgemein etwas ruhiger gehalten, dafür um so epischer. Richtungsweisend für den weiteren Verlauf von WODURIDAR, denn das Album wird zunehmend bedächtiger und epischer, endend schließlich im getragenen, hymnischen „Det kommer i bølger“. Irre ich mich, oder paart die Band hier überaus gekonnt Bathory / Viking Epic mit Americana bzw. Dark Country?
Hört es euch an und bildet euch eine Meinung.
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