Die Apokalyptischen Reiter
Kaum jemandem dürfte entgangen sein, dass sich dieser Tage die Veröffentlichung der bahnbrechenden Reiter 7“ „Dschinghis Khan“ zum 24. Male jährt.
Anlass genug, das mit einem würdevollen Interview zu feiern.
Volk-Man, ich grüße dich.
Wie kamt ihr auf die Idee, zwischen dem enorm erfolgreichen Debutalbum und dem sehnsüchtig erwarteten Zweitwerk eine flotte Viertracker zu veröffentlichen?
Der Ausgangspunkt war die Coverversion von “Dschinghis Khan”, die wir irgendwann im Proberaum einstudiert hatten und auch bei Live-Shows sehr gut ankam.
Er hatte ja eine gewisse “Pferdethematik”, also Mongolen, Reiter, Dschinghis Khan, Welteroberung etc. — alles Dinge, die uns irgendwie interessierten. Der Song hat auch ohne unsere Coverversion eine gewisse Metal-Attitüde. Also gesagt getan, der Song musste jedenfalls aufgenommen werden und da sich der Aufwand für ein Stück nicht lohnte, zockten wir direkt noch drei weitere Stücke mit ein.
Andreas Hilbert, der diese EP produzierte, wohnt ja ein Stück von euch entfernt; seid ihr extra nach Berlin gedüst, um das Teil aufzunehmen, oder wart ihr gerade in der Gegend?
“Gedüst” ist der falsche Ausdruck, die Fahrt dauerte fast 8 Stunden, da der VW Bandbus ein Problem mit der Kühlung hatte. Irgendwie war Luft ins Kühlsystem gekommen und der Motor drohte dauernd zu überhitzen. Daher war die Fahrt gen Berlin von 4 längeren Pausen begleitet, wo wir einfach warten mussten, bis der Motor wieder ausgekühlt war, dann ging es 30-50 km im Schneckentempo weiter.
Dr. Pest war der einzige, den die Sache richtig angekotzt hat – erstens war es sein Bus und zweitens musste er als Fahrer nüchtern bleiben. Fuchs, Skelleton und ich hatten direkt erkannt, dass wir bei einer Rast an der Tankstelle besser ordentlich Martini einpacken, mehrere Flaschen gingen auf dem Weg nach Berlin drauf und ehrlich gesagt weiß ich nicht, wie die Anreise endete.
Irgendwann in der Nacht wachte ich in der Bude von Andreas Hilbert auf (vielmehr weckte mich seine fette Katze) und Andreas schwadronierte (auch angetrunken) abwechselnd über die Genialität von Carcass, Oxiplegatz und Rhapsody.
Der nächste Tag war erwartungsgemäß die Hölle. Völlig verkatert im Studio ist generell keine gute Idee. Skell war noch so fertig, dass er quasi nicht in der Lage war, halbwegs den Takt zu halten – was Andreas schon fertig machte. Dr. Pest und ich versuchten während seiner Drumaufnahmen den Bus zu reparieren, dazu musste man halt eine Steigung finden, damit die Luftblase im Kühlsystem in Richtung der Steigung wanderte, dort aus der Luftablassschraube entweichen konnte, während man hinten Wasser in den Kühl nachgoß. Der VW Boxer Motor im Heck des Busses war extrem schwer zugänglich und die ganze Aktion zog sich über Stunden hin. Danach haben wir noch aus Spaß einen Liegestütz-Wettbewerb gemacht, bis uns die Arme und Schultern brannten und weh taten. Eine ganz dumme Idee, wenn man kurz danach Gitarre und Bass einspielen muss und an jedem Arm gefühlt 16 Tonnen hängen.
Ich hau mich weg, danke für die Story!
Das Artwork ist Killer, auch die Rückseite. Wer war dafür verantwortlich?
Das ist alles geklaut aus einem Marvel-Comic. Das war damals ohne Internet ja alles noch nicht so dramatisch, denn wer in den USA sollte mitbekommen, wenn eine kleine Ostdeutsche Underground Band ein bisschen am Grafiker sparen will und man sich aus dem schönen Fundus von Marvel bedient.
Naja, das hatte ja in gewisser Weise auch Tradition, dass man sich bei den Artwork früher nicht so sehr um die Copyright gekümmert hat, “Firestorm”, “Soft & Stronger” und auch “Allegro Barbaro” war ja auch ähnlich “charmant ausgeborgt”. Aber im Sinne der guten Sache der Reiter hat das am Ende auch niemand je eingeklagt.
Kannst du dich noch entsinnen, wie die drei Eigenkompositionen entstanden sind? Formten sich eure Lieder damals eher beim Jammen, oder kam einer mit weitgehend fertigen Songs und Texten an?
“Dance with me” war bereits fürs kommende Album “Allegro Barbaro” komponiert, bei “Human End Part II” handelte es sich um ein Stück, was auch auf “Soft & Stronger” hätte stehen können, aber letztlich dann doch nicht auf dem Album landete. “The Price Of Ignorance” war ein Experiment, da wir hier mit einem tieferen Tuning der Gitarren spielten als üblich. Normalerweise hatten wir von E auf D heruntergestimmt, für diesen Song stimmten wir von E auf A herunter. Das passte ganz gut zu diesem Stück, aber war letztlich etwas “too much”. Auf “Allegro Barbaro” war dann wieder alles auf “D” gestimmt…. ab “All You Need Is Love” fanden wir dann einen guten Mittelweg – wir stimmten auf “C” herunter und seitdem ist das auch unser Standardtuning für alle Alben danach gewesen.
Danke für diese Einblicke!
Für das Legacy (oder Deftone?) gab es mal so eine Art Crossfire mit Track-Raten im Auto eines legendären Labelmenschen. Dave Ingram und Peter Tägtgren waren sehr angetan von eurer Musik.
War dir zu diesem Zeitpunkt eigentlich schon bewusst, dass ihr komplett durchstarten werdet?
Oh, das höre ich zum ersten Mal. Aber gut zu wissen. Durchstarten ist immer etwas, was man erst in der Rückschau so sehen kann, wenn man will.
Im Moment fühlte es sich eher immer nach kleinen Schritten an – aber sie gingen eben immer beharrlich in eine Richtung. So einen Moment einer gewaltigen Explosion, wo plötzlich statt 100 dann 1000 Leute zu den Shows kamen, so etwas gab es ehrlich gesagt nie.
Es ging eher immer langsam Step by Step voran erst 200, dann 250, dann 300 usw. – Ich denke, die wichtigste Entscheidung war, dass man der Band in seinem Leben halt den Platz eingeräumt hat, den sie brauchte.
Wir wussten, dass man über das Stadium der “Amateurband” hinauskommen muss, wenn man wirklich weiter ernsthaft die Karriere vorantreiben soll.
Ich denke, mit dem Signing zu Nuclear Blast 2003 und der Planungssicherheit, dass man für die nächsten Jahre immer ein gutes Budget für Studioaufnahmen haben wird, begann die Zeit, als wir alle unsere Jobs aufgaben und nur noch Musik gemacht haben. Wir spielten einfach jede Tour und jede Show, die möglich war und aus der Rückschau würde ich auch sagen, dass wir bis zum Release von “Riders On The Storm” die Band auf ein wirtschaftlich tragfähiges Level gebracht hatten, die es fünf Leuten erlaubt, ein Dasein als Berufsmusiker zu leben. Deswegen musste man trotzdem Wasser statt Schampus zum Kaffeekochen nehmen, aber ich kann mich sehr gut an dieses Gefühl erinnern, dass man selbst für sich sorgte, keinen Chef hatte und ein Gefühl der persönlichen Freiheit hatte, das ich so vorher nie gekannt habe.
Stelle ich mir wirklich großartig vor, lebenslange herzliche Glückwünsche dazu.
Ist dies eigentlich die einzige Ars Metalli Veröffentlichung, auf der eine Jahreszahl steht und diese dann wirklich auch noch der Realität entsprach?
Das weiß ich ehrlich gesagt nicht, haha. Aber es ist schön, dass die EP tatsächlich wie geplant zwischen “Soft & Stronger” und “Allegro Barbaro” erschien, denn es sollte ja eine Art Zwischenspiel sein.
Es gab eine Ausgabe in rotem Vinyl und dann noch eine schwarze. Geplant war das aber nicht, oder?
Die rote Ausgabe war so schnell ausverkauft, dass wir nochmal nachlegen mussten. Wir hätten damit natürlich nie gerechnet.
Kennt Ralph Siegel diese Version seines Welthits?
Ich denke nicht.
Spielt ihr heute noch Songs von der Scheibe? Und habt ihr schon mal in der Mongolei gespielt?
“Dschinghis Khan” haben wir 2010 zum letzten Mal live gespielt. Die Sache lief dann etwas aus dem Ruder, denn wie es schien, kamen einige Fans dann wohl nur zu den Shows, um vom ersten bis zum letzten Song immer wieder “Dschinghis Khan, Dschinghis Khan” zu skandieren – das nervte irgendwann so sehr, so dass wir die Reißleine zogen.
Statt dessen spielen wir dann “Ghostriders In The Sky” von Johnny Cash (genaugenommen stammt der Song gar nicht von ihm, aber seine Version gilt vielen wohl als Original).
Der Song hatte auch eine gewisse Pferderomantik. Er ist deutlich erfolgreicher gewesen, als D.K. – selbst heute noch ist diese Coverversion von uns immer in den Top5 der meistgespielten Reiter Songs auf Spotify etc. – und das seit Jahren.
In die Mongolei haben wir es leider nie geschafft, geträumt davon schon sehr oft. Da sich wohl Russland Touren für die nächste Zeit erledigt haben, glaube ich ehrlich gesagt auch nicht daran, dass ich in naher Zukunft meine lang geplante Reise nach Peking mit der Transsib machen werde. Ein Stop in der Mongolei war fest eingeplant und ich hätte sicherlich auch eine “Dschinghis Khan” EP mitgenommen und in der heiligen mongolischen Steppe vergraben. (Einfach nur genial – m.) Aber irgendwie werde ich das sicherlich eines Tages noch hinbekommen.
Du hörst dir die Mucke von ganz früher gerne mal an, oder? Ich finde sie unglaublich charmant.
Einmal pro Jahr vielleicht. Meist im Zuge, wenn man Interviews macht, wo es sich um die Vergangenheit dreht. Oder wo ich die Bandbio – 20 Jahre D.A.R. geschrieben habe. Da dient die alte Musik wohl auch als Katalysator fürs eigene Gehirn, denn die alte Musik schafft es, dass man sich an Dinge erinnert, die gefühlt ewig lange her sind. Die ruppige, chaotische und aus heutiger Sicht mitunter etwas merkwürdige Art der Komposition fällt mir immer wieder auf.
Aber Skell hatte auch immer die Devise, dass es keine Parts geben sollte, in denen man länger als 30 Sekunden moderate Passagen hat, eh man wieder knüppelt und Blastbeats spielt. Insofern war unser Songwriting damals auch immer etwas im “Knüppelkorsett”. Aber ja, das ist absolut authentisch und sehr charmant.
Speziell „Soft & Stronger“ ist für mich auch ein lebensbegleitender Soundtrack für Neuanfänge.
Ab dem ersten Takt strahlt das Album unbändigen Optimismus und Lebesfreude aus.
Und damit endet das Interview, und ich sage
DANKE!